Präventions- und Awarenessarbeit in der Gerber 3

In den letzten Jahren haben wir uns verstärkt mit strukturellen Problematiken im Hausprojekt auseinandergesetzt, welche sowohl im Kontext des Kollektivs entstanden sind als auch von außen an uns herangetragen wurden. Im Zuge dessen wurde eine Präventionsgruppe gebildet, welche eine Risikoanalyse sowie auch ein Awareness Konzept erarbeitete und ständig weiterentwickelt. Wir möchten euch hier einen Einblick in diese Arbeit geben und auch die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme und Austausch schaffen.

Über die Präventionsgruppe

Da die Gerber als selbstverwaltetes Hausprojekt durch ein Kollektiv strukturiert wird, liegen automatisch gewisse Hierarchien vor (z.B.: Alter, Zuständigkeitsbereich, Dauer “Zugehörigkeitszeitraum” etc.). Diese bergen sowohl intern als auch extern verschiedene Risiken.
Die Präventionsgruppe gründete sich, um dahingehend Sensibilisierung zu erwirken und gezielt intervenierende sowie präventive Maßnahmen auszuarbeiten.
Insgesamt arbeitet die Präventionsgruppe darauf hin, ein dauerhaftes Schutzkonzept zu verankern. Diese Ausarbeitung und die daraus unmittelbar entstehenden Maßnahmen bilden die Grundlage des kollektiven Selbstverständnisses des Hauses als offenes Projekt, in welchem weder Diskriminierung noch Übergriffe jeglicher Art geduldet werden. Unser Anliegen ist es, den bestmöglichen Rahmen (Safer Space) dafür zu schaffen, dass neben präventiver Arbeit ebenso Raum für Betroffene und deren Bedürfnisse gegeben ist.

Des Weiteren sichert die Präventionsgruppe die bisher entstandenen Awareness-Strukturen. Die fortlaufende Analyse und die Aktualisierung bei Bedarf, sowie auch der weitere Ausbau der Strukturen gehören zu den Aufgaben der Gruppe.

Die Präventionsgruppe besteht aktuell aus Personen, die sich meist aufgrund eigener Erfahrungen ohnehin mit entsprechenden Themen beschäftigen (müssen). Ein Teil der aktuell aktiven Personen bringt aus dem individuellen beruflichen Kontext verschiedene Kompetenzen in erforderlichen Fachbereichen mit. Die genannten Personen arbeiten in sozialen und pädagogischen Bereichen und haben unterschiedliche Schwerpunkt, wie z.B. sexualisierte Gewalt, Prävention im Kontext von Mehrfachmarginalisierung, Risikoanalysen von Institutionen und geschlossenen Systemen, Erarbeitung und Etablierung von Schutzkonzepten, um nur einige zu benennen.

Regelmäßige Aufgaben der Präventionsgruppe

  • Regelmäßige Treffen sowie eine stetige Dokumentation dieser
  • Austausch mit anderen Locations bzgl. Präventionskonzepten und -maßnahmen und inhaltliche Besprechung der Konzepte anderer Locations sowie sammeln von Infomaterial zur Aufklärung über verschiedene Themen aus den Bereichen Prävention und Awareness
  • Kontrolle und Auswertung des Präventionbuchs, welches u.a. der Dokumentation von Vorfällen/Krisensituationen dient
  • Berichterstattung ins Hausplenum sowohl mündlich als auch anhand eines vereinsintern zugänglichen Dokuments, welches alle bisherigen Ergebnisse, Protokolle und Risikoanalyse der Präventionsgruppe enthält

Kurzfristig etablierte Maßnahmen

Zunächst lag der Fokus auf Awareness-Maßnahmen, welche möglichst schnell implementiert werden konnten. Konkret sind hier zu nennen:

  • Einsatz von Awareness-Personal, explizit bei großen Veranstaltungen
  • Schaffung von Safer Spaces in Krisensituationen bei Veranstaltungen
  • Präventionsbuch zur Dokumentation von Vorfällen/Krisensituationen, enthält außerdem SOS-Nummern und die Dokumentation von Hausverboten
  • Briefkasten in der Bar sowie E-Mail-Adresse als Möglichkeit Meinung/Kritik/etc. abzugeben oder in Kontakt zu treten
  • Awareness-Schilder geben Hinweise zu Übergriffen und Möglichkeiten Hilfe zu bekommen/zu leisten, Verweisen auch auf Leuchtarmbänder der Awareness-Personen
  • Etablierung eines Barfunks als digtitaler und schneller Kommunikationskanal zwischen einschlägigen Veranstaltungsorten
  • Bereitstellung von themenbezogenem Infomaterial -> Installation von Flyerständern

Langfristige Aufgaben und Ziele

  • Sicherung aller Veranstaltungen:
    Die Sicherung aller Veranstaltungen ist eine kapazitätsbedingte Problemstellung. Da es nicht immer möglich ist, Awareness-Personen zu stellen, versuchen wir anhand der gemachten Analysen und Erfahrungen insbesondere große Veranstaltungen mit Krisenpotential abzusichern. Diese finden insgesamt eher selten statt. Bei kleinen Veranstaltungen oder reinen Bar-Abenden verbleibt das Barpersonal als Ansprechpersonen und übernimmt die Awareness-Funktion. Selbstverständlich schließt dies nicht aus, dass auch andere anwesende Personen des Kollektivs sich ebenfalls einbringen.
    Langfristig werden wir darauf hinarbeiten, immer mehr Veranstaltungen mit Awareness-Personen zu besetzen. Zudem soll ein Awareness-Bereitschaftsdienst organisiert werden.
  • Vermittlung des Awareness-Konzepts:
    Da das Kollektiv einem ständigen Wandel an Akteur:innen unterliegt, ist es wichtig, das Awareness-Konzept dauerhaft zugänglich und verständlich zu machen, auch für Personen, die nur selten oder einmalig teilnehmen. Zu diesem Zweck sollen eine schriftliche Einweisung sowie ein Flussdiagramm zum Verhalten in Krisensituationen erstellt werden, welche sowohl vor Ort zugänglich sind, als auch externen Akteur:innen digital zugearbeitet werden können.
  • Gewährleistung von Anonymität:
    Eine weitere Problematik zeigt sich im Kontext der Gewährleistung von Anonymität. Da aktuell nicht nur die Erarbeitung, sondern auch die Auswertung von Fragebögen bei der Präventionsgruppe liegt, ist die Anonymität mitunter nicht gegeben. Eine Auslagerung an geeignete externe Stellen erfordert allerdings zusätzliche Finanzierung, die zunächst gesichert werden muss. Es besteht zudem die Gefahr einer Offenlegung von Strukturen gegenüber staatlichen Institutionen.
    Unser Ziel ist es, geeignete Ansprechinstanzen zu finden sowie eine dauerhafte Lösung der Finanzierung zu fixieren.
  • Eventuell entstehende Machtverhältnisse:
    Die Präventionsgruppe kann anhand der bestehenden Strukturen in eine Machtposition geraten. Durch die Zusammensetzung der Gruppe aus verschiedenen Bereichen des Hauskollektivs versuchen wir dem entgegenzuwirken. Zudem sollen regelmäßige Analysen der Strukturen der Vermeidung von Machtgefällen dienen.
  • Aufarbeitung bestehender Vorwürfe:
    In der langen Geschichte des Hausprojekts hat es immer wieder Vorwürfe verschiedener Art gegeben. Die Präventionsgruppe hat es sich zum Ziel gesetzt, ein sichereres Umfeld zu schaffen und Kommunikationskanäle zu finden, welche es betroffenen Personen und ihren Unterstützer:innen möglich macht, geschützt und sicher ihre Anliegen vorzubringen.
  • Weitere Risikoanalysen erstellen:
    Es wurde begonnen Risikoanalysen für das Hausprojekt zu erstellen und in folgende Bereichen weitgehend fertiggestellt:
    Konzertraum, Barraum, Einlass, Flur, Treppenhaus, vor dem Haus, Toiletten, Bandpenne, Tonstudio, Siebdruckerei, Büro, Multiraum
    Langfristig sollen auch für weiterer Bereiche des Hauses Risikoanalysen erstellt und Maßnahmen zur Minderung dieser in das Awareness-Konzept aufgenommen werden,
  • Weiterbildung:
    Um uns weiterzubilden, nutzen wir unter anderem externe Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich Prävention und Awareness. Dieses soll als ein fester Bestandteil in unsere Arbeit implementiert werden.
  • Verankerung des Schutzkonzepts:
    Das Schutzkonzept soll langfristig fest im Hausprojekt verankert werden. Da sich die Präventions- und Awarenessarbeit stets im Prozess befindet, ist eine konstante Weiterarbeit notwendig und gehört zu den dauerhaften Aufgaben der Gruppe.
  • Quantitative Stärkung der Präventionsgruppe:
    Wir streben eine quantitative Stärkung der Präventionsgruppe an, um die qualitative Entwicklung langfristig sichern zu können. Wir möchten den Raum für interessierte Personen immer offen halten und freuen uns über neue Akteur:innen und Impulse.

Abschließend:

Die Präventions- und Awarenessarbeit befindet sich in ständigem Wandel. Wir versuchen euch hier einen Einblick in unsere Arbeit zu geben, dieser kann aber nur den aktuellen Zustand abbilden (Oktober 2024). Wenn es aktuelle oder dringende Informationen gibt, werdet ihr diese immer auf unserem Instagram-Profil finden.

Die Arbeit an den Präventions- und Awarenesskonzepten hat für uns große Bedeutung  und wir hoffen, dass wir weiterhin vorankommen und unser Haus zu einem sicheren Ort für alle machen können. Manches wird sicher schneller gehen, manche Aufgaben erfordern mehr Zeit und intensive Auseinandersetzungen. Wir möchten betroffenen Personen alle Möglichkeiten einräumen und arbeiten daran, diese Möglichkeitsräume zu schaffen. Wir verstehen es, wenn betroffene Personen sich nicht gehört fühlen oder auch mit den Prozessen nicht einverstanden sind. Wir versuchen mit all unseren Mitteln, das zu verbessern. Wir möchten unbedingt betonen, dass wir jederzeit Gesprächsbereit sind, egal ob betroffene Personen, Unterstützer:innen oder Unterstützer:innen-Gruppen mit uns in Kontakt treten wollen.

Unser Kontakt zur Präventionsgruppe: gerberweimar@web.de